Was sind Lehr- und Lernvideos? Teil II: Formate und Verfahren

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Lehr- und Lernvideos sind potente Größen in der modernen Lehre. Aber mit Micro-Lecture, Nugget und Co.— um nur einige Bezeichnungen aufzugreifen — dürften die Begriffe in diesem Feld nicht selten für Stirnrunzeln sorgen. Um Übersicht zu verschaffen und die Potenziale sowie Einsatzmöglichkeiten von Videos in der Lehre besser zu erkennen, stellen wir Lehr- und Lernvideo-Formate vor — in einem Spannungsfeld zwischen Intention bzw. Formaten und Einsatz findender Technik, Verfahren zur Realisation sowie Production Values.

Ein Artikel von Sönke Hahn

Bild von Sönke Hahn in Anlehnung an Sarah Brockmann, freigegeben unter CC 0 (1.0)

Das letzte Mal haben wir eine grundlegende Definition von Lehr- und Lernvideos vorgenommen, wir haben vier Charakteristika identifiziert: Lehr- und Lernvideos sind eine ggf. zeitlich und örtlich unabhängig abrufbare, didaktisch aufbereitete und einzuordnende Audiovisualisierung. Wir haben eine didaktische Einordung vorgenommen, dabei umrissen, wie und in welchen Szenarien Videos einsetzbar sind. Wir haben mit den so genannten Multimedia-Prinzipien einen Orientierung bietenden Katalog kennen gelernt, um die Gestaltung von Videos mit Blick auf das Lernen zu optimieren. Nun wollen wir uns konkret den bereits angerissenen 2 + 1 Kategorien im Feld von Lehr- und Lernvideos widmen — Vorlesung und (Fach-)Vortrag auf Video (live, als Aufzeichnung), Erklärvideos und Demonstrationsvideos — und diese in Bezug zu Produktionsformen setzen.

Drei Formatkategorien von Lehr- und Lernvideo

Die eine Seite der Medaille: Die drei Format-Kategorien — nun geht es u. a. um die Formate innerhalb dieser Kategorien

Bild von Sönke Hahn, freigegeben unter CC 0 (1.0)

Zunächst wollen wir die drei Säulen innerhalb des Mediums Film verorten. Daran anschließend wollen wir innerhalb dieser drei Säulen konkret Formate beschreiben. Und diese anschließend Einsatz findender Techniken und Verfahren gegenüberstellen. Diese Verfahren und Techniken markieren die zweite Seite der Medaille im Spannungsfeld Lehr- und Lernvideo — wir haben sie bereits mit Konzepten wie Animationen oder Screencasts gestreift.
Zwei Seiten im Feld Lehr- und Lernvideos

Uns aus dem ersten Teil dieser Blog-Serie vertraut: Das Feld der Lehr- und Lernvideos insgesamt — nachfolgend werden beide Seiten vertiefend bestimmt.

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Als Nutzungshinweis sei den Ausführungen vorangestellt: Sicherlich empfiehlt sich zum Einstieg, um Hintergrundwissen zu ergattern, sich der Übersicht der Formate und Verfahren im Ganzen zu widmen. Dennoch ließe sich, und daher schließt das Inhaltsverzeichnis nun an, auch gezielt nach konkreten Formaten suchen beziehungsweise dahingehendes Wissen direkt anwählen.

Einordnung der Formate von Lehr- und Lernvideos in das Feld des bewegten Bildes

Um die im ersten Teil dieses Blog-Beitrags vollzogene, und zwar grundlegende Definition sowie die dort angerissenen Typen-Kategorien im Feld der Lehr- und Lernvideos — Vorlesung, Erklärvideos, Demonstrationsvideo — zu verfeinern, Formate zu benennen, lohnt es sich, kurz das bewegte Bild insgesamt zu betrachten. So können Lehr- und Lernvideos in einen größeren Zusammenhang, das Medium Film, eingeordnet werden.

Zu den zu „wichtigsten Unterscheidungskriterien“ (Kamp 2017: 142) in der Einteilung des bewegten Bildes zählt die Differenzierung zwischen „fiktional“ und „nicht-fiktional“. Mit „fiktional“ sind szenische Produktionen gemeint, „nicht-fiktional“ meint die dokumentarische Auseinandersetzung mit dem, was umgangssprachlich Wirklichkeit oder Realität genannt wird (Kamp 2017: 142 f.). Das Ansinnen nicht-fiktionaler Formate ist es, sachlich, übersichtlich und deutlich Sachverhalte und deren Facetten zu zeigen oder sie dem Publikum zugänglich zu machen (Kamp 2017: 145). Lehr- und Lernvideos dürften also formal dem nicht-fiktionalen Komplex zugehörig gelten.

Die genannte Unterscheidung gelingt in der Praxis kaum überschneidungsfrei — auch Lehr- und Lernvideos betreffend. Darum haben wir von „formal“ gesprochen. Denn Fiktionales setzt sich natürlich, wenn auch auf einer anderen, einer inhaltlichen Ebene ebenso wie Nicht-Fiktionales mit Wirklichkeit auseinander: Selbst ein Science-Fiction-Film kann (und muss) sich (um ein Publikum zu finden) mit Themen aus unserem Alltag beschäftigen, sich mit gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart auseinandersetzen — trotz (oder gerade wegen) des Umwegs über eine imaginierte Zukunft. Eine Abstraktion kann also durchaus Potenziale bieten, durch Distanz sich einem Thema zu nähern — in der Lehre, in audiovisuellen Formaten.

Insofern, aber auch darüber hinaus sollten die folgenden Formate hinsichtlich der Konzeption und Produktion von Lehr- und Erklärvideos gar nicht als unumstößlich verstanden und entsprechend genutzt werden. Denn ein Blick ‚über den Tellerrand‘ kann Inspirationen liefern — den im ersten Teil diese Blog-Beitrags angerissenen Multimediaprinzipien entsprechend: Spielfilmsequenzen vermögen, Inszeniertes vermag, soweit möglich aus der Sachlage abgeleitet, Geschichtsdokumentation anzureichern (≈ Reenactment — Kamp 2017: 149), sodass eigentlich ‚nur‘ verbale Informationen veranschaulicht werden können (Kamp 2017: 145). Eine veranschaulichende Story kann, Avatare, das Auftreten der referierenden Person können ebenfalls die neutrale Vermittlung eines Sachverhaltes unterstützen und Bindung zum Sachverhalt seitens des Publikums, in unserem Fall lernender Menschen, begünstigen (≈ Personalisierungsprinzip).

Wir haben mit Story, auftretenden Referierenden bereits über inhaltliche Potenziale des bewegten Bildes hinaus soeben formale Aspekte berührt. Auch in Bezug auf Form und Inhalt muss (mit Blick auf den ersten Beitrag innerhalb dieser Blog-Serie: erneut) festgehalten werden, dass diese praktisch untrennbar sind. So dürfte es ein Potenzial des Films, verstanden als sogenannte Live-Action-Footage oder Realfootage, sein, dass er Themen dem ersten Blick nach so abbilden kann, ‚wie sie sind‘. (Der Vollständigkeit halber: Es darf allerdings nicht dem erfahrungsgemäß verbreiteten Irrtum aufgesessen werden, dass fotorealistische Abbildungen gleich Wahrheit oder Wirklichkeit sind. Jedes Medium hat Eigenarten und so ist auch eine filmische Einstellung immer nur ein Ausschnitt, der mehr oder minder bewusst gewählt ist und damit auch immer die eine Information weglässt, wegfallen lassen muss zu Gunsten einer anderen Information.)

Hingegen würden Animationen (abseits fotorealistischer, heute häufig computergenerierter Formen) sich eher zur Darstellung komplexer Sachverhalte eignen: „In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass eine schematische Vereinfachung von visuellen Lerninhalten im Vergleich zu realistischen Darstellungen dem konzeptuellen Wissenserwerb zuträglich ist“ (Merkt/Schwan 2018: 2). Sollen die dargestellten Inhalte allerdings in der realen Welt wiedererkannt werden (medizinische Werkzeuge etc.), sollten realistische Bilder in Erwägung gezogen werden (Merkt/Schwan 2018: 2). Der Abstraktions- oder Realismusgrad eines Lehr- und Lernvideos ist also von Fall zu Fall abzuwägen.

Aber die besagte theoretische Unterscheidung in Fiktion und Nicht-Fiktion wird alleine dadurch aufgeweicht, dass die Dokumentation als bestimmte Form zu den dokumentarischen bzw. nicht-fiktionalen Formaten (etwa bei Kamp 2017: 148 f.) zählt. Die Dokumentation ist also eine Unterform des Dokumentarischen. Oder konkreter und als Vorgriff kann einen Screencast sowohl dokumentarischer Natur als auch über Instruktionen hinaus werbender Fasson sein ≈ Einblick in eine Software vor Kauf derselben. Auf Bildung übertragen kann, wenn auch sicherlich nicht unbedingt potenziell reißerischer Natur, auf diesem Wege ein Sachverhalt, eine Methode etc. analog ‚schmackhaft‘ gemacht werden. Es empfiehlt sich, ohne die hehren Ziele der Lehre aus den Augen zu verlieren, durchaus die in den Feldern Bildung und ‚Kommerz‘ einander grundlegend ähnlichen Kommunikationsmechanismen zu kennen und ggf. zu berücksichtigen.

Ebenso als vielschichtig dürften sich hinsichtlich Fiktion und Nicht-Fiktion Industriefilme und Imagefilme erweisen: Technische Aspekte oder Funktionen sollen einerseits nüchtern erklärt werden, andererseits sollen diese Formate oft ein Produkt anpreisen (Kamp 2017: 150). Ein Imagefilm kann insgesamt und nicht nur ein Teil seines Aufbaus als Teaser verstanden werden, der Lust auf mehr machen soll (Kamp 2017: 150). Dabei berühren wird eine auch in Lehr- und Lernvideos Anwendung findende, dem Zeitgeist entsprechende, eigentlich alte Methode zum Aufbau vom Filmen bzw. Geschichten auch jenseits des bewegten Bildes: Gemeint ist der Teaser bzw. das Cold Open, etwas, das Hook genannt wird und einen Einstieg in medias res ermöglichen soll. Der von der produzierenden Person gestaltete, unmittelbare Zugang soll das Interesse wecken und/oder über das Kommende und dessen Mehrwert aufklären, sodass angesichts eines medialen Rauschens oder Überangebotes wahrscheinlicher seitens eines Publikums ‚drangeblieben‘ wird — auch hinsichtlich Lehr- und Lernvideos.

Die zwei Seiten der Medaille im Feld Lehr- und Lernvideos

Obschon der mit Blick auf die Begriffe (im ersten Teil dieses Blog-Beitrags sowie eben bei der Unterscheidung in Fiktion und Nicht-Fiktion) absehbaren Unschärfe in der Definition der Formate von Lehr- und Lernvideos ist eine Unterteilung in verschiedene Formate sinnvoll. Denn so kann einen Überblick geschaffen werden. Diese Formate sind besagte erste Seite der Medaille.

Um aber der offenbaren Vielschichtigkeit des Komplexes Lehr- und Erklärvideos Ausdruck zu verleihen, setzen wir den Lehr- und Lernvideo-Formaten einen zweiten Pol gegenüber — als zweite Seite der Medaille. Auch dieses zweite Feld ist uns wie gesagt bereits im ersten Teil der Blog-Serie mit dem Verweis auf die in der Videoproduktion zur Anwendung kommenden Mittel (Animation, Screencast …) begegnet.

Im Folgenden gehen wir also einerseits von den unterschiedlichen Formaten bzw. damit oft einhergehenden Rollen der Autor:innen aus — Sie als produzierende Person bzw. Ihre Absichten während der Aufbereitung eines Sachverhaltes in Videoform stehen auf der einen Seite. Andererseits werden Produktionsverfahren bzw. die bei der Realisation eines Films zur Anwendung kommende Technik bzw. unterschiedlich aufwändigen Verfahren Berücksichtigung finden.
Insgesamt soll für ein in der Planung und Produktion von Lehr- und Lernvideos wichtiges Spannungsfeld sensibilisiert werden — ein Feld zwischen Ökonomie, Intention sowie Kompetenzen- und Ressourcenlage.

Die erste Seite im Feld der Lern- und Lehrvideo: Vorlesungen, Erklärvideos und Demonstrationsvideos

Die erste Seite im Feld der Lehr- und Lernvideos im Fokus

Bild von Sönke Hahn, freigegeben unter CC BY 4.0

Seite 1: Formate und Intentionen

An dieser Stelle begegnen uns die bereits mehrfach genannten drei Formatkategorien — Vorlesung/Vortrag, Erklärvideo, Demonstrationsvideo. Wir haben sie bereits im ersten Teil dieses Blogeintrags eingeführt. Soweit möglich und sinnvoll spezifizieren wir im Folgenden diese drei Säulen. Als Oberbegriff fungiert weiterhin das Begriffspaar Lehr- und Lernvideo.

Aufzeichnung von Vorlesungen und Vorträgen

Wie angekündigt, lassen sich die Pole im Spannungsfeld von Lehr- und Lernvideos nicht strikt voneinander trennen. Und so bietet es sich auch hier an, diese erste Formatkategorie im Feld der Lehr- und Lernvideos mit einem Blick auf die Produktionsperspektive zu erläutern. Dabei lassen sich drei Formen unterscheiden:

  • Mitschnitt einer vor Präsenzpublikum gehaltenen Vorlesung oder eines Vortrages — als Datei oder direkt via Stream live übertragen. Dieses wird auch als „Live Digitized Lecture“ bezeichnet (Persike 2019: 4).
  • Ausstrahlung eines Vortrages aus einem Studio, der wiederum live gestreamt und/oder aufgezeichnet wird, zum späteren Abruf (Zwei bis drei Fliegen …).
  • eine vorproduzierte Einheit, ohne Live-Streaming. Dieses Verfahren wird auch als „E-Lecture“ (Persike 2019: 5, Harder o. J.: 103) bezeichnet: Sie können oder sollten hochwertiger Natur sein. Zudem gelten sie gegenüber dem Mitschnitt einer Lehrveranstaltung als kürzer und fokussierter (Persike 2019: 5, Harder o. J.: 103).

Die Aufzeichnungen ganzer Vorlesung bieten das Potenzial, zeitlich und räumlich unabhängig einer Veranstaltung beizuwohnen. Auch bietet sich beim Rezipieren didaktisch der Vorteil, dass das Material gestoppt oder immer wieder betrachtet werden kann (Rosenbaum 2018: o. S.). Die Aufzeichnung bietet nachbereitende Potentiale (Aldrian 2019: 5), falls referierte Inhalte der Live-Vorlesung oder Präsenzvorlesung vertieft oder wiederholt werden müssen. Anders verhält es sich bei Live-Vorträgen, die als Stream ausgestrahlt werden. Diese sind, soweit keine spätere Veröffentlichung bzw. Aufzeichnung vorgesehen ist, aber weiterhin ortsunabhängig einsehbar, sodass kein Zusammenkommen, in natura, vor Ort, in Präsenz notwendig wird.

Der Mitschnitt einer Präsenzveranstaltung erlaubt — aus Sicht Lehrender — tendenziell eine langfristige Nutzung ein und derselben Veranstaltung ≈ Effizienz. Allerdings kann je nach Ressourcenlage eine mitgefilmte Veranstaltung in Sachen Bild und Ton ungeschliffen wirken und nicht immer ideal nachvollziehbar sein: ‚Nebenbei‘ abgefilmte, per Projektor vor Ort eingebrachte Folien können in der Videodatei unleserlich werden — insbesondere, wenn das Geschehen aus der Distanz ohne zweite, nahe Kameraeinstellung, ohne Zoom etc. eingefangen wird. Zur weiteren Benutzung kann also die Bearbeitung des Videos angebracht sein, um Längen oder Unklarheiten zu kompensieren. Allerdings sollte dabei kein Flickenteppich entstehen — eine nachträgliche einmalige Einblendung einer Folie, ansonsten ‚nur‘ eine Sichtweise auf Raum, Folien und referierenden Person, dürfte für mehr Irritation denn Sinn sorgen.

Insgesamt sei — trotz aller ökonomischen Potenziale nach dem Motto „Zwei Fliegen mit einer Klatsche“ — darauf verweisen, dass eine E-Lecture und ein Präsenzvortrag quasi unterschiedliche Medien sind, es sich um zwei Medienformen im Feld Vortrag etc. handelt: Die Dynamik in Präsenz, die körperliche Wirkung der referierenden Person auf ein Publikum vor Ort geht im Mitschnitt, anhand der ausschnitthaften Kadrierung tendenziell verloren — ähnlich wie die Lesbarkeit der Folien im Rahmen eines aus der Distanz, aus dem hinter Bereich des Raums gefilmten Videos riskiert wird. Moderne Webcams mit Autotracking-, -Schwenk und -Zoom-Funktionen können diese Differenzen in Teilen kompensieren, als dass die Kamera Ihnen als referierender Person automatisch folgt und sie per Geste, also ohne zusätzliche Hilfskräfte, gesteuert, etwa gezoomt, werden kann. Dennoch bleibt es dabei, dass die per Beamer eingebrachten Folien nur bedingt lesbar sein können: Es bedarf also bei Live-Übertragung einer Präsenzveranstaltung einer Foliengestaltung mit großer Schrift und wenig Text. Es kann zusätzlich der parallelen Freigabe der Materialien z. B. über die Funktion Bildschirmteilen einer Konferenzsoftware bzw. eines eventuell nachträglichen Einbindens der Folien in der Postproduktion bedürfen. In diesem Sinne ist also keinem der beiden Medien vollends gerecht zu werden. Insofern unterscheiden sich in Planung, Umsetzung und Rezeption Live-Vorträge vor Ort von jenen via Stream. Und beide Felder sind von vorproduzierten Inhalten zu unterscheiden:

Eine vorproduzierte Lehreinheit weicht vom Konzept der ‚mehreren Fliegen‘ ab. Zunächst wird dabei ein Vortrag meist ohne Publikum realisiert. Dabei bietet sich hier die Chance, audiovisuell hochwertiger zu agieren: Statt aus der Distanz gefilmt und womöglich mit fest in der Kamera verbauten Mikrofon eingefangen kann akustisch klar, weil Ansteckmikro und/oder Tonangel nutzend, mit dem während des Drehs imaginierten Publikum auf der anderen Seite der Linse (dem Anschein nach) interagiert werden. Dabei kann der oder die Referierende stärker in den Fokus gerückt werden. So kann mit dem (späteren) Publikum eine engere Beziehung erreicht werden. Dabei kann auch eine Bindung zum vermittelnden Sachverhalt begünstigt werden (≈ Personalisierungsprinzip). Ohnehin können Passagen bei Missfallen wiederholt, erneut aufgenommen werden. Obacht: Ein zu trainierter, gestochener Sprachstil wirkt künstlich und kann die Bindung im Sinne des Personalisierungsprinzips stören. Per Schnitt oder Bildteilung (Bild in Bild, Split Screen etc.) können die Folien hochauflösend mit dem Material der referierenden Person kombiniert werden. Und selbst, wenn nur eine Kamera zur Verfügung steht, kann ein zur Abwechslung und auch didaktisch sinnvoller Wechsel von Einstellungen vollzogen werden: Die Aufzeichnung erlaubt Unterbrechung zum Umbau, sodass eventuell Wichtiges aus naher Einstellungsgröße hinzugefügt und für Lehrende besser nachvollziehbar werden kann.

Als Hybrid entpuppt sich das aufgezeichnete Live-Streaming in Studio-Ambiente. Zunächst profitiert dieses Verfahren ohne Publikum von einer besseren Ausleuchtung und mehr Augenkontakt mit dem virtuellen Zuschauerschaft. Hier würden — wollte man verschiedene Einstellungsgrößen während der Live-Schaltungen nutzen — automatisierte, per Geste steuerbare Kameras, mehrere Kameras oder Hilfskräfte notwendig werden. Allerdings: Mögen Patzer und eventuelle Längen während des Live-Streamings ‚geschehen‘ sein, kann das ausgezeichnete Material dazu dienen, nachträglich eine Straffung, gar — durch die gleichbleibende Studio-Situation — ein partielles Neueinsprechen etwaiger Passagen vorzunehmen, ohne dass dies dem die Videodatei rezipierenden Publikum auffallen muss.

Der Vollständigkeit halber sei auf den Video-Podcast verwiesen. Er gilt als Unterform der E-Lecture (Persike 2019: 5). Beim Video-Podcast handelt es sich zunächst um einen mit wenig Aufwand produzierten Vortrag, der ohne große Bildwechsel eine Person oder einen Austausch mehrerer Personen zu einem bestimmten Thema (— ähnlich auch einem Interview) einfängt. Dabei kann ein Flipchart oder ein Whiteboard Einsatz finden. Auf diesem werden Themen ggf. im (simulierten) Dialog mit dem virtuellen Publikum erarbeitet. Als Setting der ‚Dreharbeiten‘ können der ‚gewohnte‘ Unterrichtsraum oder ein Büro dienen. Allerdings sind die Übergänge zu aufwendiger Gestaltungsansätzen (— Studio) und anderen Formaten fließend. Ähnlich rein akustischer Podcasts und dessen Übergänge zum Hörspiel können z. B. musikalische, vorproduzierte, gar inszenierte Inhalte im Nachgang (geplant) ergänzt werden.

Erklärvideos

Die eine Definition für Erklärvideos, das dürfte bereits im ersten Teil des Blog-Beitrags deutlich geworden sein, gibt es nicht. Zweifellos sind Erklärvideos kürzer gegenüber einem Mitschnitt einer Vorlesung; gegenüber einer aufgezeichneten Präsenzveranstaltung dürften sie mehr Aufbereitung erfahren, was Animationen, Musik, Übergänge anbetrifft. Letztlich kann von einer Länge zwischen 1—20 Minuten ausgegangen werden (Harder o J.: 103. und Ebner/Schön 2017: 3). Das diesen zweiten Teil des Blog-Beitrags einleitend angerissene „Nugget“ kann als sehr kurze (nicht nur) videografische Lehreinheit verstanden werden. Es dürfte sich daher dieser Format-Kategorie zuordnen lassen. Insgesamt dürften in die Kategorie Erklärvideo fallende, und zwar klassische Formate — Reportage, Bericht etc. — in Analogie zum Kino und Fernsehen wohl auch länger bzw. eine solche Länge aus der Gewohnheit (wiederum Kino, Fernsehen) Lernenden vertraut sein. Als Vorgriff auf einen Exkurs unten sollte das Kriterium Zeit allerdings nicht als definitives Merkmal herhalten, Lehr- und Lernvideo zu unterscheiden.

Bericht

Dieses Konzept lässt sich im Feld des bewegten Bildes vor allem mit Nachrichtensendungen des Fernsehens assoziieren (Kamp 2017, 146): In wenigen Minuten soll hier ein Vorgang, ein Sachverhalt vertieft werden. Folgende Struktur, die übrigens auch im Zeitungswesen Verwendung findet, bietet sich diesbezüglich an: Zunächst wird das Ereignis beschrieben. Dann wird ausgeführt, wie ist es dazu gekommen ist, die Folgen werden benannt und schließlich das Resultat bewertet. (Kamp 2017: 146)

„Bewertung“ sagt es bereits: Der Autor oder die Autorin tritt hier in Erscheinung, er oder sie ist gleichsam um Sachlichkeit bemüht (Kamp 2017: 146). Beabsichtigt wird damit eine gewisse Authentizität oder Beweisfunktion — er, sie, div. ist ‚eben‘ vor Ort. Überdies: Der Bericht steht nicht nur in Verwandtschaft zum Zeitungsartikel, sondern auch einer filmischen Strategie, dem Hook oder Haken nämlich: Nach einem überblickhaften, informativen, gar fesselnden Einstieg „geht es los“, folgen Details.

Reportage

Reportagen zeichnen sich durch eine offenkundigere, und zwar narrative Note aus, insofern sie im Zuge einer authentischen Schilderung das Publikum zum Miterleben animieren sollen. Die Distanz zwischen Journalisten und dem Gezeigten ist hier gegenüber dem Bericht geringer. Die „dokumentierende“ Personen ist bisweilen sogar in das Geschehen integriert, leidet gar mit oder erprobt vor der Kamera Behandeltes. Diese Präsenz wird unterstrichen, indem der oder die Reporter:in visuell öfter in Erscheinung tritt, sich persönlich und kommentierend äußert. (Kamp 2017: 148)

Tipp

Grundsätzlich empfiehlt es sich einerseits aus einem mittlerweile konventionellen, allseits wohl weitreichend verinnerlichten Umstand heraus, andererseits aufgrund der Wirksamkeit des ‚Menschmediums‘ mindestens bei längeren Lehr-und Erklärvideos die vortragende Person ‚hin und wieder‘ im Bild erscheinen zu lassen / sie vor die Kamera treten zu lassen. So kann die Bindung zwischen vortragender Person und Publikum und damit auch das Vermitteln etwaiger Inhalte begünstigt werden (≈ Personalisierungs-Prinzip). Einschränkend sei das ‚Kann‘ betonend ergänzend erwähnt, dass die Forschungslage zum Auftreten referierende Personen uneindeutig ist — wir werden im dritten Teil dieses Blog-Beitrags darauf zurückkommen. Jedenfalls und als möglicher Nebeneffekt: Auflockerung und Strukturierung sind (bei längeren Videos) möglich. Bei kurzen, auf Instruktionen abzielenden Filmen kann auf ein ‚persönliches‘ Auftreten verzichtet werden (≈ Kohärenzprinzip).

 

Dokumentationen

Dokumentationen sind gegenüber Bericht und Reportage analytischer aufgestellt. In ihnen wird besonders der persönliche Abstand der Autorin oder des Autors gegenüber dem im Film behandelten Sachverhalt betont. Meinungen sind in Dokumentationen eher ein Tabu. Als zweites Kriterium für die Definition einer Dokumentation kann die zeitliche Differenz zwischen Ausstrahlung/Bereitstellung und dem in der Dokumentation Behandelten gelten. Die Dokumentation kann bzw. sollte also eine gewisse Abgeschlossenheit bieten, wobei sie einen Überblick offeriert. (Kamp 2017: 148 f.) Sogenannte Lehrfilme gelten als dokumentarisch und sollten max. 15 Minuten lang sein (Harder o. J.: 103), obschon hier die begriffliche Unschärfe, der synonyme Gebrauch von „Film“ und „Video“, bedacht werden sollte.

Interviews

Dieses Format beschreibt zunächst ein Mittel zum Zweck und ein Element, das selten für sich steht bzw. in Kontext mit weiteren Bewegtbildern genutzt wird: So können Interviews Teil von Dokumentationen oder Reportagen sein, um Beteiligte etc. zu Wort kommen zu lassen. Sie bieten also Nähe, können Aussagen durch Zeugen:innen untermauern, es kann ein auflockernder, Aufmerksamkeit wiedergewinnender Rhythmus begünstigt werden. Ein für sich alleinstehendes, etwa über ein Lernplattform abrufbares Interview dürfte eine demonstrative Note haben — im Sinne der Ausführungen nach Persike (2019: 5). Es könnte also auch dem „+1“, der dritten von uns bestimmten Formatkategorie zugeordnet werden.

Tutorials

Auf den Punkt, schnörkellos — so lässt sich dieser Typus auf den ersten Blick beschreiben. Dahingehende Klassiker sind Videos, die die Funktion einer Software insgesamt oder nur einen Aspekt derselben erklären. Sie sind relativ kurz, oft nur wenige Minuten lang. Sicherlich lassen sich Tutorials daher mit dem nicht nur für bewegtmediale Lehreinheiten Verwendung findenden Begriff „Nugget“ als Beschreibung einer kurzen Lehreinheit in Verbindung setzen.

Diese Videos stehen oft nicht für sich selbst — gerade im Falle einer Software-Schulung. Sie können folglich in einen Hilfebereich einer Internetpräsenz integriert, quasi Teil einer Serie sein. Oft wird hier sogar auf Musik verzichtet. Um schnell auf den Punkt zu kommen, wird nach kurzer Titeltafel sogleich mit einem Screencast (siehe unten) und Sprechendentext begonnen. Screencasts einer Software, um einen Einblick in ein zu erlernendes Programm zu erreichen, sei die kennzeichnende Eigenschaft eines Tutorials (Harder o. J.: 103).

Auf den zweiten Blick, aber weiterhin recht kurz müssen Onboarding-Videos als Tutorials verstanden werden — zur Einführung neuer Mitarbeitender oder zur Einstimmung auf eine Lehrveranstaltung. Allerdings können solche Videos aufwändiger realisiert werden — mit Musik, Animationen, also weit über einen Screencast hinaus. Diese Schritte sind sogar sinnvoll, wenn das Video einen für Ihre Veranstaltungsreihe werbenden und die Lernenden potenziell bindenden Charakter haben soll. Solche und auch längere Tutorials, gar im Zusammenhang mit einer Serie mehrerer Lektionen, können mit einem Teaser (auch Hook, Cold Open) zum Einstieg und zur Fesselung für die nachfolgenden, längeren Inhalte beginnen. Im Zuge einer Serie von Videos kann oder sollte gar eine Recap (die Rekapitulation vorhergehender Schritte/Einheiten/Videos) eingebracht werden, um auf Seiten Lernender vorhandenes Wissen zu reaktiven, um ein Intervall zwischen den Einheiten und/oder dem Erscheinen der Videos zu kompensieren. Je nach Form der Bereitstellung (über gängige Plattformen oder via eines HP5-Plugins) können Kapitelmarken gesetzt werden, sodass ein Recap übersprungen werden kann. Dies kann sinnvoll sein, wenn das vorhergehende Video erst gerade betrachtet wurde und/oder vorhergehende Inhalte noch präsent sind.

Längere Tutorials (oder generell für sich stehende Dokumentationen, Reportage etc.) können, sollten gar über ein die Stimmung der Reihe, des Kurses etc. begünstigendes oder zumindest widerspiegelndes, aufwendigeres und damit auch längeres Intro verfügen. Dieses Intro markiert, Intros im Allgemeinen markieren nicht nur ein konkretes Video, sondern können eine Serie von Videos kennzeichnen: Es wird auf den kommenden Duktus des Videos, der Serie oder gesamten Veranstaltungsreihe, gar der lehrenden Person eingestimmt, Wiedererkennung geboten und damit eine Verbindung zu anderen Einheiten und dem gleichen ‚Label‘ geschaffen. Dies kann ein Dranbleiben begünstigen, aber auch der Orientierung Lernender dienen.

Zeit ist nicht das Kriterium für Lehr- und Lernvideos

Lassen sich Lehr- und Lernvideos wirklich nach Laufzeit einteilen? Mit Blick auf die Definitionen verschiedener Formate: eher nicht …

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Exkurs: Wie lang ist zu lang? Zur Länge von Lehr- und Lernvideos

Grundsätzlich sollte festgehalten werden, Lehr- und Lernvideos allein über ihre Laufzeit zu definieren, ist wenig sinnvoll (Persike 2019: 10). Es gibt — wie sich bereits angedeutet haben dürfte — viel zu viele Varianten und Mischformen zwischen verschiedenen Formaten und Verfahren sowie nicht zuletzt Verwendungssituationen. Dennoch wollen wir auf eine erfahrungsgemäß verbreitete ‚Regel‘ zur Länge von Videos eingehen: Die sogenannte 6-Minuten-Regel suggeriert, dass mit Beginn der sechsten Minute die Aufmerksamkeit seitens Lernender schwinde oder das Video weniger wahrscheinlich weiter Betrachtung fände.

Wie bei vielen Faustregeln ist auch diese nur im Kontext zu betrachten. Die Regel selbst gilt vor allem im Zusammenhang mit MOOCs (Massive Open Online Courses) (Johanes/Lagerstrom/Ponsukcharoen 2015: 15), also Großveranstaltungen, die regelmäßig ein entsprechend großes Publikum ansprechen wollen oder sollen (Ebner/Schön 2017: 4; Persike 2019: 2). Diesbezüglich fand bereits eine ‚Korrektur‘ nach unten statt: So sind aus ursprünglich maximal 10 Minuten besagte 6 Minuten geworden (Johanes/Lagerstrom/Ponsukcharoen 2015: 2). Für Lehr- bzw. Erklärvideos lässt sich aber ein Spektrum von 1 bis 20 Minuten finden (Harder o J.: 103. und Ebner/Schön 2017: 3). Und wie gesehen werden die Formate innerhalb des Gesamtkomplexes hier ‚so und so‘ lang, dort wieder anders definiert. Hilfreich kann es allerdings sein, die Sechs-Minuten-Regel auf das Unterteilen (Segmentierungsprinzip) eines Videos in inhaltliche Einheiten anzuwenden (Guo/Kim/Rubin 2014: 4), um das Chunking, also die Handhabung von Informationen durch das Gehirn Lernender, zu begünstigen.

Insgesamt sollte von Fall zu Fall unterschieden werden: Eine verpasste Vorlesung ist als Video sicherlich länger als ein knackiges Erklärvideo, das hat sich bereits angedeutet. Und ein solches, wenn auch längeres Video dürfte besser sein, als eben die Vorlesung verpasst zu haben. Genauso wurde bereits im ersten Teil dieser Abhandlung zu Lehr- und Lernvideos darauf verwiesen, dass Form und Inhalt untrennbar miteinander verbunden sind. Folglich kann auch ein längeres Video erfolgreich sein, weil es ihm womöglich gelingt, das Interesse der Studierenden zu halten oder immer wieder zurückzugewinnen. Umgekehrt kann nicht jeder Sachverhalt unbegrenzt attraktiv aufbereitet und/oder komprimiert werden — dies ließe sich als ‚Reduktionsfalle‘ bezeichnen, dazu im dritten Teil dieser Beitragsserie mehr.

Zudem und im Sinne konstruktivistischer Lerntheorie ist das Individuum bzw. sind die Lernenden selbst zu berücksichtigen ≈ jede:r erschafft graduell eine individuelle, bedingt bewusste Konstruktion einer ebenso individuellen Sicht auf die Welt. Demnach gründet auch das Lernen auf einem Fundament subjektiver Erfahrungen—Werte—Überzeugungen—Orientierungen und Muster. Daher ist einerseits seitens der Video produzierenden Person eine Art Zielgruppenanalyse sinnvoll, um Lernende besser zu erreichen. Andererseits sind Interessen (an einem Video seitens Lernender) stets im Zusammenhang mit dem individuellen Weltbildapparat zu verstehen und ein ebensolches Interesse als individuelle Leistung.

Die Annahme unterstreichend, dass die Länge eines Videos kontextabhängig ist, kann auch eine Studie der Stanford-Universität gelesen werden: Sie folgert, dass besagte Regel nicht allzu wörtlich zu nehmen ist, Studierende durchaus auch längere Videos betrachten (Johanes/Lagerstrom/Ponsukcharoen 2015: 15 f.). Wichtigerweise verweist die Studie darauf, dass Videos [abseits etwaiger Livestreams] oft mehrfach von Lernenden betrachtet werden (können) (Johanes/Lagerstrom/Ponsukcharoen 2015: 15 f.).

Insgesamt bietet sich als Schlussfolgerung an: Ein Video sollte so kurz wie möglich sein, aber auch so lang wie notwendig.

 

+ 1 — Demonstrationsvideos

Demonstrationsvideos stehen selten für sich, sondern finden im Kontext Betrachtung. Dieser kann nicht-bewegtmedialer Natur sein ≈ ein im Lernmanagementsystem anklickbares Interview neben etwaigen Texten. Dann können Demonstrationsvideos innerhalb anderer Videos, namentlich von Erklärvideos, Einsatz finden — als ein eingebundenes Interview beispielsweise. Kennzeichnend für Demonstrationsvideos ist, wenn sie für sich genommen stehen, dass sie kommentarlos sind, über keinen Sprechendentext verfügen und ihre kommunikativ-didaktische sowie ästhetische Aufbereitung wenig bis gar nicht ausgeprägt ist — weil sie eben nicht für sich selbst stehen sollen oder müssen. Es fehlt ein autonomer „Erklärcharakter“ (Persike 2019: 4).

Durchaus können Demonstrationsvideos für einen konkreten Anlass produziert worden sein — etwa um als Anschauungsmaterial zur Untersuchung von Verhaltensweisen zu dienen, um den Studierenden zu ermöglichen, die besprochenen Verhaltensweisen zu sehen. Dann kann unter dem Begriff Demonstrationsmaterial jedes Material gefasst werden, dass analog zum besagten Interview in einem Lehrkonzept und wiederum Lehr- und Lernvideo eingebunden wird. Es kann sich also auch um Ausschnitte aus anderen Filmen, Nachrichtensendungen etc. handeln. (Persike 2019: 4)

Film bietet diesbezüglich ein besonderes Potential — ähnlich der Erfindung der Mikroskopie: Mit dem Mikroskop wurde der Mikrokosmos zugänglich bzw. sichtbar. Dortiges Geschehen kann ein Film natürlich zeitlich abbilden bzw. es anhand stark vergrößernder Objektive einfangen. Darüber hinaus kann das bewegten Bild Zeit auch insofern etwas ‚sichtbar‘ machen: So können mit Zeitraffern Veränderungen sichtbar werden, die sich regelmäßig unserer Aufmerksamkeit entziehen, weil sie nur langsam geschehen. Umgekehrt können Bewegungen sichtbar gemacht werden, die wir nicht erfassen können, weil sie für unsere Wahrnehmung zu schnell erfolgen.

Wie beim Pingpong hängen die Seiten des Feldes Lehr- und Lernvideos zusammen

Wie beim Pingpong: Die beiden Seiten der Medaille sind miteinander verbunden — in variabler Form. Wir wechseln nun unsere Perspektive und widmen uns der zweite Seite des Feldes Lehr- und Lernvideos.

Bild von Sönke Hahn, freigegeben unter CC BY 4.0

Seite 2: Verfahren und Produktionsmittel

Diese Seite der Medaille im Feld von Lehr- und Lernvideos steht — es sei betont — nicht im Widerspruch zur ersten, sondern ergänzt die dort genannten Lehr- und Lernvideo-Formate um eben einen die Realisation erfassenden, gar technisch-ökonomischen Blick — visuell ähnlich einen Pingpong-Spiel. Das Feld der Produktionsmittel unterteilt sich der Übersicht halber in zwei Bereiche: Technik und Verfahren zum einen sowie Qualität der Ausführung, Umstände der Realisation zum anderen.
Zweite Seite im Feld Lehr- und Lernvideos
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Die zweite Seite im Feld der Lehr- und Lernvideos im Fokus

Techniken

Live-Action-Footage bzw. Realfootage

Es sei der Vollständigkeit halber genannt, denn wir haben natürlich bereits über Formate gesprochen, die oft genug mit realen Bildern assoziiert werden — etwa die Reportage oder der Bericht: Zunächst und grundsätzlich ließe sich die Produktion eines Films in Realfootage beziehungsweise Live-Action-Footage auf der einen und Animationen bzw. Abstraktionen etc. auf der anderen Seite unterscheiden. Im ersten Fall wird mit einer realen Kamera eine ebenso reale Welt zu erfassen versucht. Im zweiten Fall können beispielsweise virtuelle Kameras im Rahmen einer 3D-Software zum Einsatz kommen. Durchaus anverwandt kann die Bewegung über auf Folien im Rahmen eines Slidecasts gezeigte Aspekte, als Vergrößerung oder als Folienübergang, einer virtuellen Kamera ähnlich verstanden werden.

Der einleitende Konjunktiv deutet es an: Im Zuge immer realistischerer Animationen und kaum von der Wirklichkeit unterscheidbarer, computergenerierter Bilder ist die Differenz ‚Animationen hier‘ und ‚Realbild dort‘ eine vor allem theoretische. Überdies lassen sich bereits ohne ein Hollywood-Produktionsbudget im heimischen Raum reale Aufnahmen vor einem Green Screen mit virtuellen Welten beziehungsweise Animationen verbinden. Dennoch dürfte in der Produktion eines Videos sicherlich die Unterscheidung nachwirken — weil eben ggf. eine reale Kamera benötigt wird oder auch nicht. Allerdings kann ein mit Legetechnik realisierter Film einerseits mit einer realen Kamera eingefangen werden und andererseits als Animation gelten.

Screencasts/Slidecasts

Screencasts sind Bildschirmaufzeichnungen. Diese eignen sich insbesondere, wenn es um kürzere und instruktive Lehrinhalte geht — eine Softwareschulung bzw. Anleitung. Die Produktionsweise wird mit dem Begriff Tutorials assoziiert (etwa: Harder o. J.: 103). Die Laufzeit solcher Tutorials liege — wenn wir auch bereits gesehen haben, dass Zeit nicht die Größe zur Einteilung von Lehr- und Lernvideos sein sollte — meist unter 10 Minuten (Harder o. J.: 103).

Slidecasts hingegen sind eine oft rein visuelle, gegebenenfalls parallel mit Sprechendentext versehen und/oder mit diesem nachträglich versehene Aufzeichnung einer Präsentation im Rahmen gängiger Präsentationssoftware. Ohne reale Kamera wird der Präsentationinhalt als Video erfasst.

Nicht nur können Videos insgesamt dieser Natur sein, derartiges Material kann natürlich auch in andere Videos integriert werden: So könnte die sprechende Person Bild in Bild auf den Folien ergänzt werden oder zwischen Folien und sprechender Person (abwechslungsreich) mit einem Videoschnittprogramm hin und her gewechselt werden. Es können gar als Trenner (/Stinger etc.) zu bezeichnende Animationen für Übergänge einbracht werden, die dem Wechsel von Folie zur Person deutlich und strukturiert Ausdruck verleihen. Allerdings sollte kein statisches Bild der referierenden Person ‚einfach‘ dauerhaft neben den Folien platziert werden — eine solche Maßnahme kann nachweislich befremdlich wirken (Kohärenz-Prinzip).

Auch dem Begriff Mico-Lecture liege ein Slidecast zugrunde (Harder o. J.: 103). Max. acht Minuten sollen entsprechende Videos lang sein (Harder o. J.: 103). Nicht nur die Mico-Lecture (Harder o. J.: 103), sondern auch Slidecasts im Allgemein zeichnen sich dadurch aus, dass sie relativ einfach zu realisieren sind. Mit der (oft vertrauten) Präsentationssoftware und in vielen Computern bereits verbauten Mikrofonen kann schnell zu einem Ergebnis gekommen werden — ein Präsentation zu einem Film werden. Gleichsam können eventuelle in der Software abrufbare Animationen unterstützen, Aufmerksamkeit auf bestimmte, auf den genutzten Folien abgebildete Aspekte zu lenken (Harder o. J.: 103) — soweit diese Animationen in Maßen genutzt werden.

Allerdings muss sowohl die Qualität des Tons infolge verbauter Mikrofone als auch die bewegtmedialen Fähigkeiten eine Präsentationssoftware mit Blick auf eine eventuelle Anspruchshaltung Lernender als begrenzt eingestuft werden. Zudem und ohnehin ist das Feld Präsentationsfolien zwischen Effizienz und kommunikativ-didaktischen ‚Fettnäpfchen‘ einzuordnen: Folien geraten oft zu textlastig (Karia 2015: 39 ff.) — nicht zuletzt auf Grund eines Bemühens um Effizienz: Nach-Nutzung als Handout. Mindestens im Falle von Slidecasts sollte diesbezüglich ein Kompromiss gefunden werden.

Legetechnik / Animationen

Die Legetechnik kann als ein althergebrachtes Animationsprinzip gelten, als dass mit ihrer Hilfe einmal aus einzelnen Bildern der Eindruck einer Bewegung oder mindestens eines Zusammenhangs entsteht. Folglich ist die Legetechnik auch für technisch bzw. softwarebezogen unbedarft produzierende Menschen eine Möglichkeit, Sachverhalte zu visualisieren: So könnten Ausgeschnittenes, ausgedruckte, aufgeschriebene Texte etc. Schritt für Schritt verschoben und fotografiert werden, sodass eine Animation entsteht. Dies ist mit gängigen Smartphones in hochwertiger Qualität realisierbar — als Fotosequenz.

Dann könnte der Vorgang des Verschiebens auch (erneut via Smartphone) ohne Unterbrechung abgefilmt werden. Oder es wird gar etwas vor der Videokamera gemalt, gezeichnet, geschrieben. Im Fall einer Videoaufnahme kann die schreibende Person das Gezeigt direkt kommentieren, sodass keine weitere Bearbeitung notwendig wird. (Wo bei Koordination und Vortragsqualität eine Herausforderung sein dürften.) Dabei sind regelmäßig die realen Hände der produzierenden Person sichtbar und charakterisieren wohl dieses Verfahren.

Über das Fotografieren oder Abfilmen hinaus können, in einem zweiten Schritt, in der Nachbearbeitung, auch reale, von Dritten stammende oder grafische Hände (als Teil eines grafischen Templates) herangezogen werden. Viele Softwarelösungen bieten vorgefertigte Hände an (Aldrian 2019: 4 u. 8) — diesbezüglich sind aber Lizenzfragen zu prüfen. Diese gilt — ohne hier eine rechtliche Beratung vornehmen zu wollen und zu können — umso mehr, sollte eine Veröffentlichung der finalen Videos über den §60a UrhG (Unterricht und Lehre) hinaus angestrebt werden oder das Material im Sinne der Open Educational Resources (OER) für andere zur Nutzung und Bearbeitung freigegeben werden. Inwiefern (Design-)Templates und die von einem Softwareanbieter bereitgestellten Grafiken offen lizenziert und damit in offene, also von weiteren Nutzenden verwendbare Formate eingebracht werden dürfen, muss im Vorfeld geklärt werden. Twillo bietet hinsichtlich rechtlicher Aspekte eine erste Hilfestellung.

Über die analoge Animationstechnik hinausgehend bieten verschiedene Softwarelösungen die Möglichkeit, digitale Animationen in 2D bis 3D zu realisieren. Diese erlauben gegenüber der ‚ruckweisen‘ und oder bewusst ‚handwerklich‘ anmutenden Legetechnik weitaus dynamischer, fließender wirkende Visualisierungen realistischer Wirkung zu erstellen. Ihre Handhabung ist aber oft mit größerem Kosten- und/oder Zeitaufwand verbunden. Softwarelösungen, die anhand von grafischen Templates eine Animation entstehen lassen, sind wiederum hinsichtlich ihre Lizenzbedingung zu prüfen.

Interaktive Videos

Interaktive Videos sind einerseits eine weitere Produktionsform, gleichsam können sie eine Variation der übrigen Typen sein. Denn sie bieten zusätzlich zu Rezeption einer audiovisuellen Bild- und Tonfolge die Möglichkeit, einen höheren Grad der Aktivität, namentlich Interaktivität einzubinden. Die anhand von Plug-Ins in viele Lern-Management-Systemen wie auch Content-Management-Systemen von Websites integrierbare H5P-Inhalte ermöglichen, Videos mit Quizeinheiten und weiterführenden Informationen anzureichern. Damit kann das im Lehrvideo dargebotene Wissen vertieft und gegebenenfalls gefestigt werden (≈ Aktivitätsprinzip) — entweder also innerhalb einer Lehr-Lern-Umgebung oder gar öffentlich auf einer Internetpräsenz. Interaktivem wird zudem das Potenzial zugesprochen, ein Dranbleiben am Thema bzw. konkret einem Video zu begünstigen (Aldrian 2019: 6).

Es können aber auch durch H5P-Editoren Kapitelmarken ergänzt werden, sodass ein Dranbleiben am Video insgesamt begünstigt wird, wenn Passage wiederholend oder den Lernenden bekannt sind. Solche Abschnitte können also übersprungen werden. Kapitelmarken können überdies auf vielen Videoplattformen relativ unkompliziert gesetzt werden.

Allerdings kann die unbedarfte Platzierung über Kapitelmarken hinausgehender, interaktiver bzw. eingeschobener Komponenten in vorhandene Materialen bzw. Videos Gefahr laufen, verwirrend oder störend auf Lernende zu wirken — etwa, weil Musik abrupt durch ein Quiz gestoppt wird. Idealerweise sollte Interaktivitäten an inhaltlich wie formal-gestalterisch sowie wie auch didaktisch-kommunikativ sinnvollen Stellen platziert werden: am Ende eines Chunks bzw. eines Themenblocks, am Ende eines Kapitels etc. Ggf. können passende Stellen bereits während der Konzeption und Produktion eines Videos vorgesehen, eingeplant werden. Dort könnte die Musik ausfaden, um den Übergang zum Quiz zu begünstigen etc. Dabei kann aber umgekehrt der Einsatz desselben Videos abseits interaktiver Inhalte eingeschränkt werden.

Virtuelle Realitäten: 360°-Videos und Augmented Reality

360°-Videos lassen sich einerseits in voll-sphärische (360° x 360°), anderseits halb-sphärische Filme (360° x 180°, auch FullDome genannt — für halbkugelförmige Projektionsstätten wie moderne Planetarium oder Mediendomes) unterscheiden. Dabei können computergenerierte, dreidimensional Welten geschaffen und betrachtet werden. Es ist ebenso möglich analog zur konventionellen Kamera reales Geschehen in 360° einzufangen (Live-Action-Footage).

Bis vor wenigen Jahren wurden diese Filme durch extreme Fisheye-Objektive eingefangen und/oder durch den Einsatz mehrere Kameras zu erreichen versucht. Die Bild-Sequenzen mehrerer Kameras wurden anhand einer Software miteinander vernäht (≈ Stitching). Heute gibt es entsprechende (Action-)Kameras mit Weitwinkellinse und oder mehreren Objektiven, die automatisiert voll- oder halb-sphärische Filme ausgeben können.

Betrachtung können diese Filme anhand von Brillensysteme finden ≈ Virtuelle Realität. Alternativ können (vorgefertigte oder selbst erstellte) Pappen oder ähnliches als Halterungen für Smartphones fungieren, um den Kostenfaktor VR-Brillen zu umgehen. Notfalls lassen sich besagte Filme auch ‚flach‘, im Browserfenster und per Mause erkunden, sich dort umsehen.

360°-Videos bieten das Potenzial, neue Perspektiven zu gewinnen — etwa solche, die auf Grund von Gefahren oder aus ökonomischen Gründen in der Realität nicht zu erreichen sind. So ergibt sich die Möglichkeit, in unbekannte, neue, mikroskopische etc. Welten einzutauchen — wobei vor allem eine realräumliche, illusorische Immersion gemeint ist (im Gegensatz zu einer allgemeinen Immersion als Eintauchen in die Welt etwa auch eines Buches ≈ Hahn (2018)). Interessant dabei, dass 360°-Video partiell ihr Publikum zu Mitgestaltenden machen, er/sie/div. wählt selbst den Blick auf das Geschehene (Hahn 2013: 146), anstand es vollends vorgeben zu bekommen.

Beachtenswert: Es ist, wie im Grund immer, auch hier die Angemessenheit oder Sinnhaftigkeit eines 360°-Videos abzuwägen, sodass der Einsatz eines solchen Videos nicht konterproduktiv wird. So ist die eigentliche Chance des freien Umsehens gleichsam eine aus gestalterischer Sicht große Herausforderung, um Sachverhalt verständlich zu vermitteln (Hahn 2013) — weil es eben nicht den einen Fokusbereich gibt.

Mit den Begriffen Augmented Reality und Mixed Reality werden Verschränkungen von Realität und virtuellen Welten beschrieben (Persike 2019: 8 f.). Die damit möglich werdenden Erlebnisse gehen über die ‚übliche‘ Verschränkung von Zuschauendenraum und Leinwandgeschehen als immersives Eintauchen eben auch in die eigentlich flache Welt der Leinwand, als Mitfiebern mit einer Geschichte hinaus: Konkret gemeint sind etwa ebenfalls via Brillensysteme oder anhand der Smartphone-Kamera und der dortigen Bildschirme zunächst unsichtbare Sachverhalte, die vermeintlich, anhand des Blicks durch die jeweiligen Geräte, sichtbar werden. Dabei wird auf die zahlreichen Sensoren, die Gyroskope, von Smartphones zurückgegriffen, um eventuell virtuelle Objekte anhand von Apps in der realen Welt zu verorten, regelrecht ‚fix‘ zu platzieren — trotz in der Hand gehaltener Geräte.

Die Realisation solcher Vorhaben ist — das zeigen die genannten Komponenten — noch aufwendig. Hingegen 360°-Videos bereits wie beschrieben ein consumer-taugliches Level und entsprechende Workflows aufweisen.

Der Vollständigkeit halber sei auch eine semi-digitale Version von Augmented Reality verwiesen: zum Beispiel in Form eines Videowalks. Allein mit einem IPod oder ähnlichen Geräten, dem damit möglich werdenden akustischen wie visuellen Informationen als Standbilder, aber auf Videos können Lernende durch eine reale Umgebung geleitet werden und dabei via Kopfhörer und Bildschirm verschiedene Zeiten, Welten und Situationen mehr oder minder überlagernd mit dem während des Spazierengehens tatsächlichen Raum erleben. Diesbezüglich sei als Beispiel auf den „Alter Bahnhof Video Walk“ von Janet Cardiff und George Bures Miller zur Documenta 13 verwiesen.

Ein Blick hinter die Kulissen

Im Grund sogar eine dritte Seite der Medaille von Lehr- und Lernvideos: Techniken und Umstände zur Realisation eines Videos … ein Blick hinter die Kulissen sozusagen

Bild von Sönke Hahn in Anlehnung an Sarah Brockmann, freigegeben unter CC 0 (1.0)

Qualität der Ausführung, Umstände der Realisation

Hohe Production Values: im Studio vorproduzierte oder gestreamte Inhalte

Entscheidendes Kriterium dieser Produktionsform ist die explizit für ein Video vorzunehmende Konzeption, eine entsprechende Realisation sowie ein professionelles Produktionsniveau. Nicht von ungefähr werden solche Lehr- und Lernvideos als „Blockbuster“ (Ebner/Schön 2017: 7) bezeichnet, da sie im Grunde genommen ähnlich wie große Hollywood-Filme inszeniert sein können und Inhalte entsprechend aufwendig aufbereiten. Hollywood ist allerdings in den letzten Dekaden anhand diverser Apps und Automatismen durchaus, wenn auch weiterhin nicht ohne Aufwand, Ressourcen und Fähigkeiten, immer mehr ‚von Zuhause‘ realisierbar geworden.

Hohe Production Values lassen sich, wenig überschneidungsfrei auf die handwerkliche, technische wie auch ästhetische Qualität von Animationen, live- oder vorproduzierten Realfootage, auf jedes filmische Material übertragen: Mag die Legetechnik einerseits ein einfaches Verfahren sein, kann sie auch aus ästhetischen oder didaktischen Gründen heraus mit großem Aufwand realisiert werden / verbunden sein: Der händisch-einfache Charme der Legetechnik könnte als sichtbare Abstraktion fungieren, um damit einen neuen Zugang zum Thema zu erreichen. Ggf. farbkorrigierten Bilder in einem bestimmten, Stimmung unterstreichende Look, der ggf. verschiedene im Film behandelte Zeitebenen sichtbar voneinander unterscheidet, und mit animierten Überblendungen in Form von Callouts mit Zusatzinfos etwa reichern das Material an …

Um ein hohes Niveau zu erreichen, kann mit professioneller Kamera, gar mehreren Kameras, entsprechender Ausleuchtung (z. B. Drei-Punkt-Licht), einem Bildmischer gearbeitet werden; es kann ein Hintergrundsystem Anwendung finden, sodass ein ggf. vorhandener, privater Raum (≈ Home Office) unsichtbar wird, ggf. das Corporate Design einer Institution zur einheitlichen Außenwirkung aufgegriffen werden. Trotz des Aufwandes kann gleichsam ein Teleprompter Erleichterung verschaffen, sodass das (wenn auch möglichst trainierte und nicht allzu offensichtlich) Ablesen des Skriptes besser gelingen kann. Und gleichsam kann der Augenkontakt mit dem virtuellen Publikum begünstigt werden (Personalisierungsprinzip).

Wird das Live-Streaming aufgezeichnet oder ‚nur‘ vorproduziert, weichen Aufwand und Ressourcenbedarf bisweilen voneinander ab: Sollen im Live-Stream Details von etwas gezeigt werden, das sich im Studio zeigen wollen, so bedürfte es einer automatisierten Kamera oder einer Person, die die Kamera bedient, oder einer weiteren Kamera, die mit einem Bildmischer angesteuert wird: Zoom auf etwas, ein anderer Blickwinkel von etwas auf Ihrem Schreibtisch. Das aufgezeichnete Material einer Live-Veranstaltung kann, wenn die genannten Ressourcen nicht vorhanden sind, aber eine zeitsouveräne Nutzung angestrebt wird, eine Abrufbarkeit des Videos erreicht werden sollte, um nach-produzierte Materialien ergänzt werden. In der Postproduktion können dann andere Kameraeinstellungen hinzugefügt werden, sodass in der Video-Datei Besprochenes (didaktisch sinnvoll) deutlicher sichtbar wird gegenüber dem Live-Stream. Patzer und Längen im Live-Vortrag könnten nun entfernt werden. Ein rein vorproduziertes Video erlaubt im Sinne nicht-linearen Schnitts schon mit einer Kamera, den Eindruck hohen Aufwandes zu erzeugen: Nacheinander können unterschiedliche Einstellungen gewählt werden und im Schnittprogramm miteinander verbunden werden. Obacht: Das Live-Streaming einer Aufzeichnung ist zwar möglich, die potenziell interaktive Komponente, also auf Fragen live eingehen zu können, wird dabei aufgegeben.

An dieser Stelle noch ein paar Hinweise zum Einsatz von Green Screens. Die Aufzeichnung / das Streaming der eigenen Person beziehungsweise der referierenden Person vor einem Green Screen erlaubt individuelle Hintergründe einzubinden — sei es nur, um die Home-Office-Situation auszublenden oder keinen Kulissenbau betreiben zu müssen. Als virtuelle Hintergründe können Materialien eingebunden werden, die zum Thema passen oder wie gesagt ein Logo.

Der Einsatz eines Green Screens kann es auch erlauben, die referierende Person ohne einen konkreten Rahmen mit dem Slidecast zu kombinieren. So kann die quasi ausgeschnittene Silhouette parallel mit den Folien bzw. auf den Folien sichtbar werden. Dabei sollten darauf geachtet werden, dass wesentliche Inhalte nicht überdeckt werden. Dieses Vorgehen ist eine Alternative zu einem splitscreen-artigen Verfahren, bei dem weder die Folien noch der:die Referent:in formatfüllend abgebildet werden. Der Wechsel dieser Einstellungen kann sogar ‚solo‘ anhand eines Bildmischers realisiert werden.

(Als ein Kompromiss in Sachen Produktionsaufwand erweist sich die Funktion vieler gängiger Videokonferenzsoftware-Pakete: Dort können unter Effekte virtuelle Hintergründe gewählt werden. Diese Hintergründe erstrecken sich von der Unscharf-Stellung des realen Hintergrunds bis hin zur Wahl vorgefertigter oder von Nutzenden angelegter Hintergründe. Diese Materialien können dann wiederum der Konsistenz halber in einem wiedererkennbaren Corporate Design gestaltet sein. Obacht: Diese Verfahren kommen zwar ohne Green Screen im Hintergrund aus, softwaregestützt wird der Mensch als solches erkannt und quasi ausgeschnitten. Dieses Ausschneiden gelingt allerdings bisher oder oft nur mit Abstrichen. Gesten oder Objekte in der Hand können bisweilen ebenfalls herausgefiltert werden — bisweilen zum Nachteil des beabsichtigten Vortrags.)

Insgesamt dürfte bei dieser kurzen Listung klar geworden sein, dass es sich hier einerseits um aufwändige Unterfangen handelt — Technik, Software, Anzahl der Beteiligten. Andererseits und wie bereits erwähnt werden mindestens ansatzweise professionalisierte Kompetenzen bzw. ein Rückgriff auf eventuell externe Kräfte notwendig.

Abfilmen — ‚Zwei bis drei Fliegen mit einer Klatsche‘: Präsenz und/oder Live-Stream und/oder archivierbare Videodatei

Bereits als wir die ersten Seite der Medaille im Feld der Lehr- und Lernvideos betrachtet haben, mit Blick auf Autor:innen und ihre Intention, wurde dieses Vorgehen angerissen: Es ist zweifellos praktisch, durch das Abfilmen einer Präsenzveranstaltung ein Material zu generieren, welches langfristig genutzt werden kann. Als form hybrider Lehre (verstanden hier als räumlicher Hybrid, Präsenz und virtuell, bei identischer Lehrsituation ≈ live) kann via Stream ein Publikum vor Ort als auch eine zugeschaltetes erreicht werden.

Sicherlich im Rahmen des Pandemiegeschehens ließe sich ergänzen, ‚besser so, denn gar nicht‘. Wir haben aber ebenso oben bereits gesehen, dass es hier Stolpersteine gibt: Die aus dem hinteren Bereich des Raumes womöglich mit einer einzelnen Kamera eingefangene Veranstaltung verliert auf dem Video womöglich ihre Wirkung, Folien sind nicht ideal lesbar. Es liegen im Grunde genommen verschiedene Medien vor. Sollte also die nachvollziehbare, effiziente Absicht vorliegen, zwei (mit live/hybrid: drei) Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen, dann empfiehlt sich ein höherer technischer und zeitlicher Aufwand. So kann einerseits das Lernen durch bessere Lesbarkeit und Eingängigkeit begünstigen werden. Andererseits kann im Sinne eines ästhetischen Mehrwertes und wachsender Anspruchshaltungen seitens des Publikums (Wir kommen darauf im dritten Teil dieser Blog-Serie zu sprechen.) die Wirkung eines Lehr- und Lernvideos begünstigt werden. Gemeint ist konkret der Einsatz von zwei bis drei Kameras und/oder von Kameras mit Autortracking-/-Schwenk/-Zoom-Funktionen, welche per Geste gesteuert werden können. Gleichzeitig sollten projizierte Folien zusätzlich als geteilter Bildschirminhalt via Videokonferenzsoftware dem virtuellen Publikum geboten werden. Gegebenenfalls wird ein nachbereitender Schnitt des Materials oder die Verwendung von Live-Bildmischern, die Einspeisung von Funkmikrofonen etc. notwendig, um dem ‚anderen‘ Medium (≈ Rezeptionssituation) gerecht zu werden.

Outsourcing zw. Erleichterung für Lehrende und Kompetenzgewinn für Lernende

Die Produktion etwaiger Videos kann ausgelagert werden — Agenturen können hier unterstützen, soweit möglich können didaktische Zentren (einer Hochschule) helfen oder die Aufgaben können an studentische Hilfskräfte oder Studierende übergeben werden. Im letztgenannten Fall bietet sich didaktisch das Potential, anhand von Videoproduktion ein Lernen-durch-Lehren zu realisieren (Ebner/Schön 2017: 4; Persike 2019: 22). Das heißt, die Produktion etwaiger Videos kann Studierenden als Aufgabe übertragen werden — als Projektarbeit etwa. Dabei widmen sich die Studierenden einerseits einem konkreten Thema, vermitteln ihren Mit-Studierenden etwas. Andererseits können sie im Nebengang Kompetenzen hinsichtlich Medien, konkret in Bezug auf den Film schärfen.

Bei der Vergabe der Videoproduktion an Studierende, sowohl an Hilfskräfte als auch an Teilnehmende der Lehrveranstaltung, fällt allerdings die Erleichterung für Lehrende unterschiedlich aus: Am Kurs teilnehmende Studierende müssen eventuell hinsichtlich der Kompetenzen zur Gestaltung, Technik und Software unterstützt werden. Bei studentischen Hilfskräften ist über die entsprechende Qualifikation hinaus zu überlegen, ab Software und Technik den Hilfskräften in gebotener Form zur Verfügung steht bzw. ob sie gestellt werden kann.

Fazit

Wir haben verschiedene Formate von Lehr- und Lernvideos zu ebenso diversen, nicht zuletzt technisch-ökonomischen Verfahren in Bezug gesetzt. Es hat sich ein Spannungsfeld von Möglichkeiten ergeben. Absichten und Techniken lassen sich kombinieren. Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Lehr- und Lernvideos, aber auch die Situationen und Umstände, in denen sie Einsatz finden können, ist groß, sodass die eine Definition von Lehr- und Lernvideos nicht möglich ist, es sie vielleicht nicht geben sollte. Derartige Schubladen würden letztlich Potenziale verstellen, spezifische Themen und Anliegen per Video anzugehen — durch eine Kombination.

In diesem zweiten Teil dürfte sich aber angedeutet haben, Lehrende können zwar aus einem ebenso großen Spektrum von Möglichkeiten schöpfen, sollten aber didaktisch-kommunikative Überlegungen, Budget- und Zeitfragen, ihre und die Kompetenzen der Lernenden frühzeitig reflektieren. Daher werden wir uns im nächsten Teil ausführlich und zusammenfassend kommunikativ-didaktischen Potentiale von Lehr- und Lernvideos widmen. Wir werden dabei auch kritisch auf den Einsatz von Lernvideos schauen. Der nächste Beitrag wird am 28. Mai 2022 erscheinen.

Falls Sie den ersten Teil verpasst haben oder mit dem dritten Teil unserer Serie zu Lehr- und Lernvideos fortfahren möchten:

Gerne können Sie auch direkt die Sammmlung auf twillo aufrufen, um in medias res zu gehen — inklusive Handreichungen mit Hintergrundinfos und Vorlagen.

Über die Autoren

Franziska Bock, M. A. und Dr. Sönke Hahn sind wissenschaftliche Mitarbeitende des Projekts „OER-Portal Niedersachsen“: twillo — Lehre teilen. Bock ist im Bereich der Hochschuldidaktik aktiv und beschäftigt sich mit Fragen der Schreibdidaktik sowie mit Fragen der Konzeption von reusablen Lehr- und Lernmaterialien. Hahn ist interdisziplinärer Wissenschaftler, Filmemacher mit internationalen Aufführungen und mehrfach ausgezeichneter Designer. Als Teil der Hochschule Emden/Leer sehen Bock und Hahn es als ihren Auftrag, über guten Inhalt hinaus die Lehre als solches voranzubringen.

Literaturangaben:

Aldrian, S. (2019): Lehrvideo. Zentrum für Hochschuldidaktik. Fachhochschule der Wirtschaft, Graz. URL: https://www.campus02.at/hochschuldidaktik/wp-content/uploads/sites/20/2019/09/Lehrvideo.pdf (abgerufen am 15.03.2022).

Ebner, M. / Schön, (2017): Lern- und Lehrvideos: Gestaltung, Produktion, Einsatz. Handbuch E-Learning. 71. Erg. Lieferung (Oktober 2017). 4.61. S. 1–14.

Guo, P. J. / Kim, J. / Rubin, R (2014): „How video production affects student engagement: An empirical study of MOOC videos“ In: L@S 2014, March 4–5, 2014, Atlanta, Georgia, USA.

Hahn, S. (2013): „Fulldome vs 16:9. Zu den Differenzen in Konzeption, Gestaltung und Produktion eines Spielfilms in der Kuppel und im klassischen Bildformat am Beispiel der Filmversionen von breakFAST“ In: Institut für immersive Medien der FH Kiel (Hg.): Jahrbuch immersiver Medien 2013. Schüren: Kiel/Marburg, 133–147.

Hahn, S. (2018): Die Sechsfalt der Immersion: Versuch der (diskursiven) Definition eines vielschichtigen Konzeptes URL: https://www.academia.edu/35937976/Die_Sechsfalt_der_Immersion_Versuch_der_diskursiven_Definition_eines_vielschichtigen_Konzepts (15.03.2022).

Harder, S. (o. J.): Lehrvideos. Einsatzmöglichkeiten im berufsbegleitenden Studium. URL: https://www.uni-rostock.de/storages/uni-rostock/UniHome/Weiterbildung/KOSMOS/Lehrvideos.pdf (abgerufen am 15.03.2022).

Johanes, P / Lagerstrom, L. / Ponsukcharoen, U. (2015): „The Myth of the Six-Minute Rule: Student Engagement with Online Videos“ In: 2015 ASEE Annual Conference & Exposition.

Kamp, W. (2017): AV-Mediengestaltung. Europa Lehrmittel: Haan-Gruiten.

Karia, Akash (2015): How to design ted worthy presentation slides. Akash Karia, o. O.

Merkt, M. / Schwan, S. (2018): „Lernen mit Bewegtbildern: Videos und Animationen“ In: Niegemann, H. / Weinberger, A. (Hg.): Lernen mit Bildungstechnologien.

Persike, M. (2019): „Videos in der Lehre: Wirkungen und Nebenwirkungen“ In: Niegemann, H. & Weinberger, A. (Hg.): Lernen mit Bildungstechnologien. Springer: Deutschland.

Rosenbaum, L. (2018): „Youtube – Lehrvideos zu einem interaktiven Lernerlebnis weiterentwickeln“ In: Blog E-Learning Zentrum Hochschule für Wissenschaft und Recht Berlin. URL: https://blog.hwr-berlin.de/elerner/youtube-lernvideos-zu-einem-interaktiven-lernerlebnis-weiterentwickeln/ (abgerufen am 15.03.2022).

Dieser Artikel von Franziska Bock und Sönke Hahn ist – sofern nicht anders an einzelnen Inhalten angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0