Open Up – Wie können wir die Digitalisierung für offene Bildung nutzen? Über einen Zwischenstand aus Niedersachsen und darüber hinaus

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Ein Artikel von Carolin Eisentraut, Gabi Fahrenkrog und Silvia Czerwinski

Banner Open Up und Plakat mit Herzlich Willkommen

Von der Idee zum konkreten Vorhaben

Um den Jahreswechsel 22/23 ist die Idee entstanden, zum Ende der ersten Förderphase von twillo eine Abschlusskonferenz zu veranstalten. Unter dem sperrigen Namen “Förderphase 1 – Abschlussevent” entwickelte das twillo-Team die Idee für Open Up und hat sie schließlich dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) gepitcht. Von allen Seiten abgesegnet konnte die Ausgestaltung der Konferenz beginnen. Glücklicherweise fand sich im twillo-Team mit Gabi Fahrenkrog schnell eine Hauptorganisatorin, die auch aufgrund ihrer Erfahrungen bei der #vBiB immer den Überblick behielt. Das unterstreicht auch Noreen Krause, Product Ownerin von twillo: “Die vielfältigen Ideen sind nur so gesprudelt. Gut, dass mit Gabi an Bord die Planung und Gestaltung eine zauberhafte Struktur gefunden hat.”

Die heiße Phase

Die Ideen haben gar nicht mehr aufgehört zu sprudeln und bis kurz vor der Konferenz kam immer wieder etwas Neues dazu, wie Silvia Czerwinski aus dem Team berichtet: “Und dann kam Britta mit der zündenden Idee: Was symbolisiert unseren Wert Nachhaltigkeit besser als ein Glas Honig von regionalen Bienen? Wir waren begeistert und die Speaker:innen hoffentlich auch von ihrem süßen Geschenk.” So waren alle, aber insbesondere Gabi, bis zuletzt schwer beschäftigt mit dem Beantworten von Fragen und Anmeldungen, dem Vorbereiten der Give-Aways und dem Sichten von auf den letzten Drücker eingereichten Präsentationen. 

Nach einer Zusage des Wissenschaftsministers Falko Mohrs für ein persönliches Grußwort vor Ort, folgte leider eine Absage desselben. Zuverlässig lieferte das Ministerium alternativ eine Videogrußbotschaft des Ministers und die Eröffnung der Konferenz konnte fast wie geplant stattfinden. Zudem war Joachim Schachtner, seines Zeichens Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, vor Ort und gab Einblicke in die Arbeit und Ansichten des MWK im Zuge der ersten Podiumsdiskussion der Konferenz.

Bevor Open Up tatsächlich die Türen öffnen konnte, musste allerdings noch aufgebaut werden. Dafür rückte ein ganzer Konvoi helfender Hände aus Osnabrück samt Technik an, die die vorhandene Ausstattung und Expertise in Hannover komplettierten. Kameras und Licht wurden im Leibnizsaal hin und her geschoben, Kabel wurden verklebt und eine kleine Regie im hinteren Teil des Saals installiert. Für die online Teilnehmenden platzierte das Online-Moderationsteam seinen Arbeitsplatz direkt im Saal, damit auch virtuell mitdiskutiert werden konnte und schließlich war für die Konferenz alles vorbereitet.

Im Hexenkessel

Tag 1: Das Wetter drückte und wie sich herausstellte gibt es im Leibnizhaus keine Klimaanlage. Trotzdem sind die Teilnehmenden und das Team vor Ort guter Dinge und Open Up startet. Kleinere Hakeleien der Technik zum Trotz sind sowohl online als auch vor Ort von Anfang an alle Beteiligen hellwach und diskussionsfreudig, was nicht nur am ständig aufflackernden Blitzlicht der Kamera von Britta Beutnagel liegt. Nach den Pandemiejahren scheinen einige sehr froh zu sein, wieder an einem Liveevent teilnehmen zu können, während andere die nun doch zur Gewohnheit gewordene Onlineteilnahme weiterhin schätzen.

Nicht nur vor Ort ist es heiß, sondern auch auf und neben der Bühne wird heiß diskutiert. In einem Punkt ist sich die OER-Community allerdings einig: Bei OER geht es mehr um ein gemeinsames Mindset, als um spezifische Ressourcen. Es braucht eine bessere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen der Hochschule, wie z.B. der Bibliothek und der Verwaltung. Wichtig sind außerdem Expert:innen für Barrierefreiheit, um den Bedürfnissen einer heterogenen Studierendenschaft gerecht zu werden. Insgesamt bietet offene Bildung eine große Chance für Hochschulen, den veränderten Anforderungen gerecht zu werden, denn die Generation FFF (Fridays for Future) hat andere Vorstellungen von Hochschulleben und Lernmethoden, als traditionell gelebt. Durch die Fokussierung auf selbstgesteuertes Lernen, die Entwicklung von OER-Materialien und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten können Studierende aktiv in den Bildungsprozess einbezogen und neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden. Policies und Prüfungsordnungen spielen eine wichtige Rolle, um eine offene Bildungspraxis fest in den Hochschulstrukturen zu verankern. Die Zusammenarbeit und der Austausch innerhalb der OER-Community sind entscheidend, um die Potenziale offener Bildung bestmöglich zu nutzen. Lehrende könnten das Interesse der Hochschulleitung daran wecken, indem sie die Veränderung des Lernverständnisses der Studierenden und den Reputationsgewinn für die Hochschule ansprechen. Offene Bildung sollte stärker mit Curricula verbunden werden, und wir als OER-Community, aber auch Politik und Hochschulen müssen weiter zusammenarbeiten, um die technische Infrastruktur und die Erstellung interoperabler OER-Portale zu ermöglichen. Zudem könnten Bildungsfortschritte in einem Wallet oder Portfolio abgebildet werden, um erbrachte Leistungen anzuerkennen.

Auch abseits der Bühne war einiges los. Aus dem Team waren Silvia Czerwinski und Timos Zdoupas unterwegs, um weitere Stimmen einzufangen: “Timos und ich waren ganz happy: neben dem ganzen Input und Austausch hatten sich am ersten Tag gleich drei Teilnehmende dazu bereit erklärt, uns ein kleines Statement in die Kamera zu sprechen. Dabei hat man gemerkt, wie jede:r einzelne für OER und Offene Bildung brennt. Toll!” Am Ende des ersten Tages gehen die Anwesenden beseelt auseinander, um das Wetter noch ein wenig zu genießen, bevor abends beim Konferenzdinner in der Ständigen Vertretung viele der vor Ort Teilnehmenden zu gutem Essen, Getränken und informellem Austausch zusammenkommen. Die Stimmung ist hervorragend, der Aperol Spritz versüßt den Abend und alte und neue Kontakte werden gepflegt. 

Geballte Power für Tag zwei

Schon fast in freundschaftlicher Atmosphäre kommen am zweiten Tag alle wieder zusammen und steigen inhaltlich mit geballter Community-Power ein: gemeinsam wird zusammengetragen, was sich die Community wünscht und braucht, um OER-Akteure zu gewinnen und welche Maßnahmen der OER-Bewegung Aufwind verleihen können. Marcus Deimann bricht gleich zu Beginn mit Enthusiasmus eine Lanze für offene Bildungsinfastrukturen, denn ihre Bedeutung für die digitale Hochschullehre ist immens: Wir alle wollen den Single-sign-on bei einer gleichzeitig unglaublichen Komplexität von anzuschließenden Diensten, um die Hochschullehre zukunftsfest zu machen. Plattformen wie OER Landesportale helfen Lehrenden dabei, OER von Anfang an mitzudenken und der OERSI

ermöglicht es, zahlreiche OER Quellen für die Lehre zu durchsuchen. Der Single-sign-on ist zwar noch nicht implementiert, doch die OER-Community ist fest entschlossen, Bildung für alle so einfach wie möglich zu machen.

Ein großer Schritt um offene Bildung zu vereinfachen sind klare Rahmenbedingungen für OER an Hochschulen, da sind sich alle einig. Denn viele Lehrende fragen sich “Wie geht meine Hochschule eigentlich mit OER um? Was darf ich eigentlich frei lizenzieren und was nicht?” Es macht also Sinn, wenn sich die Hochschulen selbst zu OER bekennen. Aber wie  schafft man klare Rahmenbedingungen für OER und wie fängt man an, eine OER-Policy zu erstellen? Hier die Erfolgsrezepte aus der Praxis der Podiumsdiskussion mit Andrea Schlotfeld, Katja Scholz-Büring und Chahira Nouira und Anne Sennhenn als Vertretung für Christian Ammer, dem die Bahn für die Teilnahme vor Ort leider einen Strich durch die Rechnung gemacht hat:

  • Gewinnen Sie das Präsidium mit allen Mitgliedern durch persönliche Überzeugung für eine OER-Policy.
  • Projekte können mit ihrer Projektlogik die Erstellung einer OER-Policy anregen.
  • Bleiben Sie im Prozess der OER-Policy Erstellung im  offenen Dialog über die Praxis der offenen Bildung.
  • Wir müssen erlauben, dass es unterschiedliche Geschwindigkeiten geben wird. 
  • Nutzen Sie strategisch, dass die Haltung zu OER ein profilgebender Faktor für Hochschulen ist. In Zukunft werden Hochschulen stärker um Studierende konkurrieren. Stichworte sind hier der demographische Wandel und Generation FFF: junge Menschen haben andere Erwartungen an Lernen und Nachhaltigkeit als wir es aktuell vorleben.
  • Betonen Sie den Gedanken des Teilens auch in der Policy.
  • Gewinnen Sie Mitstreiter:innen und machen Sie OER-Erfolgserlebnisse sichtbar: Einfach ausprobieren, sodass man merkt, dass man Erfolg hat und auf Konferenzen eingeladen wird.
  • Und last but not least: Ich muss das Rad nicht alleine neu erfinden. Es gibt viele Stellen, die mir helfen. Und das kann ich dann wieder zurück geben. 

It´s always sunny in Hannover

Das Fazit nach zwei Tagen Konferenz: Wachstum mit Zuckerbrot und Peitsche. OER-Projekte nicht zu verstetigen ist der Gar aus.  Zu viele Aufgaben kommen im Alltagsgeschäft noch dazu. OER ist eine Daueraufgabe, denn OER ist nicht innovativ. Wir müssen zum gesellschaftlichen Konsens gelangen “wir teilen Wissen”, sodass es selbstverständlich wird, zu teilen. Aber vielleicht brauchen wir auch ein bisschen die “Peitsche” Richtung Nutzung von OER, nicht Erstellung. Und vor allem sollten wir OER by Design denken. 

Während der Mittagspause beschließt das twillo-Team den letzten Tagespunkt ausfallen zu lassen, denn vor dem Leibnizhaus wird eine Bühne aufgebaut, die Teil der Fête de la Musique ist, die an diesem Tag in Hannover stattfindet. Im Leibnizhaus ist es wie am ersten Tag sehr warm und ohne geöffnete Türen und Fenster nicht möglich, konzentriert an der Konferenz teilzunehmen. Mit geöffneten Türen und Fenstern, so die Befürchtung, wird es aber zu laut werden und ebenfalls kein konzentriertes Arbeiten möglich sein. Dementsprechend wird die Zukunftswerkstatt um eine Woche in den twillo Thursday verschoben und Margret Plank, Leiterin des Lab Nicht-textuelle Materialien der TIB, beendet nach der Mittagspause die Konferenz vorzeitig.

It´s music to our ears

Gruppenbild Team twillo vor dem Leibnizhaus Hannover zur Konferenz Open Up

Mit all diesen Eindrücken, tollen Ideen und Anregungen und einer starken Community im Rücken gehen wir vom Team twillo ab August 2023 in die zweite Förderphase unseres Projekts. Wir bedanken uns bei allen, die Open Up zu einem vollen Erfolg gemacht haben und freuen uns darauf, die vielen freundlichen Gesichter an verschiedenen Stellen wieder zu sehen. Auch wenn uns die Fête de la Musique den Konferenzabschluss ein wenig vergeigt hat, war es uns ein großes Fest und wir können ein “Förderphase 2 – Abschlussevent” – oder auch viel schöner ausgedrückt, eine Neuauflage von Open Up – kaum abwarten.

Alle Beiträge sind zum Nachschauen im AV-Portal veröffentlicht.