OER ist die Antwort: twillo zu Gast bei der Campus Innovation 2023

Am 27.-29. September 2023 wurde vom Multimedia Kontor Hamburg (MMKH) die Campus Innovation wieder vor Ort ausgerichtet. Neben den Feldern KI und Nachhaltigkeit, stand das Thema OER insbesondere am Donnerstag (mit Vorträgen und OER-Slam) und am Freitag (mit dem Barcamp) im Fokus.

Ein Artikel von Silvia Czerwinski

Collage mit Fotos der Campus Innovation

Lasst uns den Herd gleich auf Stufe drei drehen!

Unter diesem Motto stellte Prof. Dr. Kerstin Mayrberger in Ihrem Vortag folgende These auf: “OEP als kollektive Praxis steht derzeit für Hochschulbildung in der (Post)Digitalität – und entwickelt sich stetig im komplexen Umfeld”. Dafür ging sie zunächst auf die Bandbreite von OEP-Definitionen ein – von weit zu eng – , um dann zu erläutern, was es für den Wandel hin zu einer Kultur des Teilens benötigt: Partizipation, Beziehungen, Vertrauen, Transparenz, Widerständigkeit, Gerechtigkeit, Gemeingut und Nachhaltigkeit. Sie betonte, dass der Schwerpunkt bei OEP nicht allein auf den Materialien liegen solle, sondern vielmehr auf der grundsätzlichen Haltung zu Openness mit den dazugehörigen Werten und Prinzipien. 

Als Beispiel nannte sie Vertrauen: In der alten Welt ist Qualitätssicherung als Voraussetzung für OEP sehr wichtig. Dabei unterlaufen z.B. OER nach Erstellung ein Review-Verfahren. In der neuen Welt wird darauf vertraut, dass die Akteur:innen direkt zu Beginn des Erstellungsprozesses von OER ins Review gehen, indem sie sich Beratung aus ihrem Umfeld holen und sich in einem kritischen Austausch mit der Community befinden. 

Für die Umsetzung von OEP als kollektiver Praxis könnte mit einem angewandten Konzept in den Hochschulen angefangen und dann auf andere Konzepte übertragen werden. Dabei gelte aber nicht das vorherrschende Vorgehen, dass 90% nach dem alten Verfahren und lediglich 10% nach Prinzipien der Openness restrukturiert werden. Wenn alles einmal unter der OEP-Brille analysiert wird, dann bitte mit dem Ergebnis 50/50. Die pragmatische Vision von Mayrberger wäre, dass zehn mutige Institutionen aus verschiedenen Hochschulbereichen mit diesem Restrukturierungsprozess vorangehen und konsequente OEP vorführen, so dass andere leicht folgen können.

OER ist die Antwort - Aber wie lautet die Frage?

Prof. Dr. Daniel Otto nahm uns in seinem Vortrag mit auf die Zeitreise “20 Jahre OER in Deutschland” und stellte verschiedene Studien zum Thema OER vor. Während es zunächst vielfach um Fragen der Einstellung, der attitudes der OER-Aktiven ging (Ergebnis: driven by emotions), wurden später häufiger die Hürden für den Einsatz von OER in den Fokus genommen. Anhand einer Meta-Studie über 272 veröffentlichte Studien zeigte Otto, dass bisher eher weniger an den Strategien der Hochschulen sowie Anreizsystemen für OER geforscht wurde. Aber haben wir überhaupt die Realität der OER-Aktiven im Blick oder findet ganz viel unterhalb des Radars, nämlich im kollegialen Austausch an den Schulen bzw. Hochschulen statt – Stichwort Dark Reuse Hypothese?

Ermutigend im Rückblick auf 20 Jahre OER sei zumindest, dass der Ausbau der Infrastruktur wie z.B. die Landesportale erfolgt ist. Ottos Fazit ist, dass OER als idealistische Bottom-Up-Bewegung gestartet ist und nun sehr realistisch als Top-Down-Thema mehr von den Hochschulen übernommen werden sollte. Dies hat aber durchaus Chancen, da mittlerweile einige langjährige OER-Begeisterte durch bestimmte Positionen in den Hochschulen einen Fuß in der Tür haben.

Nach den beiden Vorträgen stiegen vier OER-Aktive in den OER-Slam Ring. Der Ablauf und insbesondere die strikte Zeitspanne von acht Minuten pro Vortrag verbaute dem einen oder anderen zwar die Schlusspointe – der Mut, sich diesem neuen Format zu stellen, wurde aber vom Publikum für alle honoriert. Das Preisgeld von 500 Euro durfte Martin Schultze an die Frankfurter Goethe Universität mitnehmen.

Wir sehen uns 2050

Die Räumlichkeiten des Departments Design der HAW Hamburg wirkten für das Barcamp am Freitag höchst inspirierend. Einige Themen waren bereits im Vorfeld eingereicht worden, doch wie bei einem Barcamp üblich, wurden bei der Sessionplanung spontan weitere Ideen hinzugefügt. So gab es eine Bandbreite an Sessions wie z.B. die Sichtbarkeit von OER-Communities an Hochschulen, eine Roadmap digitale Hochschulbildung 2050 oder rechtliche Auswirkungen von KI-generierten Texten bzw. Bilder in OER.

Da wir im Verbundprojekt twillo an unterschiedlichen Aspekten des komplexen Themas offene Bildung arbeiten, brachten wir gleich zwei Sessions ein. Klaus Wannemacher stellte die Studie zu OER-förderlichen Infrastrukturen vor. Besondere Herausforderungen zeigen sich demnach im Hinblick auf eine bessere Vernetzung bestehender OER-Portale und -Tools sowie die Etablierung und Nutzung eines Standardvokabulars für Lehr- und Lernmaterialien. 

In einer ausgiebigen Diskussionsrunde kamen in dieser Session ganz unterschiedliche Einschätzungen und Anregungen auf: Auch jüngste Ansätze im Bereich der Metadaten für offene Bildungsmaterialien träten kaum durch einen ausgeprägten didaktischen Fokus hervor. OER-Portale sollten die Verschlagwortung von OER durch entsprechende Assistenzfunktionen erleichtern. Zu erwägen sei, seitens der OER-Portale auch stärker in den Dialog mit Fachzirkeln und Berufsverbänden einzutreten. Hilfreich könne zudem sein, Fachwissenschaftler:innen aktiv auf fachbezogene OER hinzuweisen.

In der Session von Axel Klinger ging es ein wenig technischer zu. Anhand der Leitfrage, was wir von Open Source Entwicklungen lernen können, wurde über die offene Zusammenarbeit an Bildungsmaterialien diskutiert. Mit der Sammlung im OERSI wurden Überlegungen zu geeigneten Arbeitsumgebungen und zu besonders offenen Formaten (nach den FAIR Data Principles) elementar. Gemeinsame Anforderungen bei der Entwicklung von Open Source Software und offener Bildungsmaterialien sind frei verfügbare und offen lizenzierte Quellen und Resultate, das koordinierte gemeinsame Bearbeiten von Dateien, möglichst keine Abhängigkeit von kommerziellen Produkten und eine Transparenz über Änderungen und Entscheidungen bei der Weiterentwicklung. GitHub/GitLab und OERSI bieten bereits eine weltweite Lösung zur Erstellung, gemeinsamen Weiterentwicklung und offenen Nutzung offener und attraktiver Bildungsmaterialien in allen Bereichen der Lehre. Mit den richtigen Vorlagen und Anleitungen ist der Aufwand überschaubar und die Reichweite groß.

Wir bedanken uns bei den Veranstalter:innen und allen Teilnehmenden für zwei wundervolle Tage und freuen uns auf die nächste Gelegenheit zu fruchtbarem Austausch und spannenden Begegnungen.