Was bedeutet Barrierearmut, und warum ist sie wichtig?
Barrierearme Lehrmaterialien fördern inklusives Lernen und unterstützen Studierende, die auf Hilfsmittel angewiesen sind oder Sehbeeinträchtigungen haben. Im Jahr 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, Menschen mit Behinderungen einen gleichwertigen Zugang zu Bildung zu bieten. Barrierefreie Gestaltung in OER ist daher nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch eine rechtliche Anforderung, um Inklusion und Chancengleichheit an Hochschulen sicherzustellen.
Auch Studierende ohne Einschränkungen profitieren von barrierefreien Materialien, da diese auf mobilen Geräten und unter verschiedenen Bedingungen besser lesbar und flexibler nutzbar sind. Barrierearme OER können zudem leichter von anderen Lehrenden adaptiert und weiterverbreitet werden, was den nachhaltigen Einsatz fördert und die Verfügbarkeit hochwertiger Bildungsressourcen erweitert. Der folgende Leitfaden bietet Ihnen praxisnahe Tipps, um Barrierearmut in Ihre OER zu integrieren.
Praktische Tipps zur barrierearmen Gestaltung von OER
1. Farbkontraste anpassen und Farbblindheit berücksichtigen
Farben sind zentral für die Lesbarkeit und Verständlichkeit. Kontrastreiche Farbkombinationen, z. B. dunkler Text auf hellem Hintergrund, erhöhen die Lesbarkeit. Für farbsehgeschwächte Personen ist es zudem wichtig, Kontraste so zu gestalten, dass Informationen auch ohne Farbdifferenzierung erkennbar sind. Nutzen Sie den Color Blindness Simulator von Coblis oder den Kontrastrechner von Leserlich.info, um sicherzustellen, dass Farben für verschiedene Arten von Farbsehschwächen angepasst sind. ColorBrewer bietet zudem empfohlene Farbpaletten, die speziell für Diagramme und Karten barrierefreie Kontraste berücksichtigen und Studierenden mit Sehbeeinträchtigungen zugutekommen. Durch die Verwendung von Mustern oder Symbolen zur Unterscheidung können Informationen auch ohne Farbkontraste verständlich gemacht werden.
2. Einfache und klare Sprache – den richtigen Ton treffen
Inhalte in klarer, einfacher Sprache zu formulieren ist besonders in Präsentationen hilfreich, um die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu lenken. Statt komplexer Satzstrukturen empfehlen sich prägnante, verständliche Formulierungen. Dies kann auch Lernenden mit kognitiven Einschränkungen oder geringen Vorkenntnissen helfen. Sie können zur Unterstützung das Leichte-Sprache-Tool von capito nutzen, das Texte analysiert und Empfehlungen zur Optimierung gibt. Zudem stellt die Universität Rostock einen Leitfaden zur barrierefreien Lehre zur Verfügung.
3. Alternative Texte für Bilder – KI-gestützt und effizient
Bilder und Grafiken sind oft unverzichtbar, doch ohne Alternativtexte (Alt-Texte) sind sie für sehbeeinträchtigte Personen unzugänglich. Mithilfe von KI-Tools wie You.com und ChatGPT von OpenAI können Sie automatisch Beschreibungen für hochgeladene Bilder generieren, die Sie leicht in Ihre Materialien einfügen können. Die KI-generierten Texte können Sie bei Bedarf anpassen, um genauere Informationen für Ihre Inhalte bereitzustellen. Weitere Tipps zur Erstellung guter Alternativtexte finden Sie im in der Handreichung von barrierefreiheit.nrw.
4. Gut lesbare Schriftarten und Größen verwenden
Die Wahl der Schriftart und ‑größe trägt erheblich zur Lesbarkeit bei. Verwenden Sie gut lesbare, serifenlose Schriftarten wie Arial oder Verdana und eine Mindestgröße von 14 Punkt, sodass auch Studierende mit Sehbeeinträchtigungen problemlos lesen können. Zusätzliche Informationen zur barrierefreien Schriftgestaltung finden Sie im Leitfaden zu barrierefreien Schriftarten von gehirngerecht.digital.
5. Klare Strukturierung von Folien und Dokumenten
Eine übersichtliche Struktur unterstützt alle Studierenden, besonders jedoch jene, die auf Screenreader angewiesen sind. Gliedern Sie Inhalte mit deutlichen Überschriften und Absätzen, und nutzen Sie in PowerPoint oder Word hierarchische Formatvorlagen. Dies erleichtert die Orientierung und erhöht die Zugänglichkeit für Screenreader. Achten Sie zudem darauf, dass Ihre Folien konsistent formatiert sind – eine einheitliche Schriftgröße und klare Abstände zwischen Elementen fördern die Verständlichkeit.
6. Sprechende Links für einfache Navigation
Links sollten so gestaltet sein, dass sie ohne Kontext verständlich sind. Vermeiden Sie vage Begriffe wie „hier klicken“ und wählen Sie präzisere Formulierungen wie „Mehr zur barrierearmen Gestaltung in OER“. Dies erleichtert die Navigation und ist besonders für Screenreader-Nutzer eine wichtige Hilfe. Durch die Verwendung sprechender Linktexte machen Sie Ihre Materialien auch insgesamt nutzerfreundlicher.
7. Feedback von Studierenden einholen
Studierende können oft wertvolle Einblicke und konkrete Verbesserungsvorschläge geben, wenn es um die Barrierefreiheit von Lehrmaterialien geht. Eine kurze Umfrage oder die Einladung zur anonymen Rückmeldung kann Ihnen dabei helfen, die Materialien gezielt anzupassen. Fragen Sie Studierende mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen, ob die Materialien ihren Bedürfnissen entsprechen und ob es Bereiche gibt, die sie verbessern würden. Dies schafft nicht nur eine inklusivere Lernumgebung, sondern vermittelt den Studierenden auch, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden.
Fazit und Ausblick
Mit den hier genannten Tipps kann Barrierearmut zur Routine bei der Erstellung von Lehrmaterialien und OER werden. Kleine Anpassungen wie kontrastreiche Farben, klare Strukturierung und KI-gestützte Alternativtexte machen Inhalte für alle zugänglicher und stärken die Inklusion an Hochschulen. Inklusive Bildung erfordert keine großen Veränderungen – oft genügt es, die richtigen Werkzeuge zu nutzen und ein paar Details zu beachten.
Barrierefreie OER lassen sich zudem leichter von anderen Bildungseinrichtungen anpassen und tragen zur nachhaltigen Bereitstellung hochwertiger Bildungsressourcen bei. Die OER-Community setzt sich zunehmend für die Umsetzung barrierefreier Materialien ein und unterstützt Lehrende dabei, ihre eigenen Ressourcen anzupassen und zu verbreiten. Die wichtigsten (ersten) Schritte für barrierearme OER können Sie in unserem #kurzerklärt-Video nachschauen und herunterladen. Viele weitere Informationen z.B. zur Gestaltung von Videos oder H5P-Elementen finden Sie bei barrierefreiheit.nrw.