Berechtigt das Zweitveröffentlichungsrecht zur Erstellung von OER?
Darf ich meinen wissenschaftlichen Artikel, an dem ich einem Verlag ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt habe, nach Ablauf von einem Jahr seit der Erstpublikation als OER (d.h. offen lizenziert) auf twillo bzw. auf einer anderen Internetplattform veröffentlichen?
Nein. Das Zweitveröffentlichungsrecht nach § 38 Abs. 4 Urhebergesetz ermächtigt nicht zur offenen Lizenzierung des Werks.
Um ein Werk offen zu lizenzieren benötigt man alle Verwertungsrechte – Vervielfältigungsrecht, Recht zur Weiterlizenzierung, Bearbeitungsrecht, Recht zur kommerziellen Nutzung – am Werk. Liegen diese Rechte exklusiv bei einem Verlag, darf der/die Urheber:in selbst Dritten keine Nutzungsrechte durch eine Creative Commons Lizenz einräumen.
Das Zweitveröffentlichungsrecht berechtigt nur dazu, ein Werk nach Ablauf der Karenzfrist von 12 Monaten seit der Erstveröffentlichung nochmals online öffentlich zugänglich zu machen. Sonstige Verwertungsrechte verbleiben dagegen nach wie vor bei dem Verlag. Allein der Verlag darf das Werk wirtschaftlich verwerten, vervielfältigen (z.B. Kopien erstellen) und in Printform verbreiten. Allein der Verlag darf Dritten Rechte an dem Werk einräumen.
Davon abgesehen sind die Voraussetzungen des Zweitveröffentlichungsrechts (§ 38 Abs. 4 Urhebergesetz) sehr eng:
- Es gilt ausschließlich für wissenschaftliche Beiträge in einer periodischen (mind. 2x Jahr) Sammlung, die in mindestens zur Hälfte aus Drittmitteln finanzierten Forschungsprojekten (außeruniversitärer Bereich) entstanden sind;
- Rechte an dem Artikel müssen exklusiv bei einem Verlag liegen;
- der Artikel darf nur als Manuskriptversion (keine Printversion!) veröffentlicht werden, die mit dem Verlag abgestimmt wurde;
- die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben;
- mit der Veröffentlichung darf kein gewerblicher Zweck verfolgt werden.
Weitere Informationen zum Zweitveröffentlichungsrecht erhalten Sie in diesem Blogartikel der TIB: Das neue Zweitveröffentlichungsrecht im Urheberrecht – ein Schritt in Richtung Open Access! Oder doch nicht?! – TIB-Blog.
Zur Information: Wer einem Verlag exklusiv alle Verwertungsrechte am Werk übertragen hat, hat keine Möglichkeit mehr, etwas mit seinem Werk zu machen. Die einzigen Rechte am Werk, die den Autor:innen verbleiben, sind das Recht als Urheber:in genannt zu werden (wenn kein wirksamer Verzicht vereinbart wurde) sowie das Zweitveröffentlichungsrecht mit seinen engen Voraussetzungen.
Wollen Sie selbst entscheiden, wo, wie oft und unter welcher Lizenz Ihr Werk veröffentlicht wird, sollten Sie dem Verlag nur einfache Rechte einräumen. Dies muss schriftlich fixiert werden, ansonsten wird vermutet, dass alle Verwertungsrechte übertragen werden, vgl. § 8 Verlagsgesetz.
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